Bitte bereinigen: Thematische Überschneidung mit Definition & Co.: Was ist Citizen Science?
Contents
Überblick
In Deutschland wird der Begriff „Citizen Science“ (Bürgerwissenschaft) zunehmendverwendet, um sowohl die lange Tradition des bürgerlichen Engagements für die Wissenschaft als auch die vielen neuen Formate der Teilhabe an der Forschung zu beschreiben. Während der angloamerikanische Ansatz von Citizen Science meistdie Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern bei der Datenerhebung in der Umweltforschung hervorhebt, ist das Verständnis in Deutschland breiter.
GEWISS Citizen Science Definition
Citizen Science[1] beschreibt die Beteiligung von Personen an wissenschaftlichen Prozessen, die nicht in diesem Wissenschaftsbereich institutionell gebundensind. Dabei kann die Beteiligung in der kurzzeitigen Erhebung von Daten bis hin zu einem intensiven Einsatz von Freizeit bestehen, um sich gemeinsam mit Wissenschaftlern und/oder anderen Ehrenamtlichen in ein Forschungsthema zu vertiefen. Obwohl viele ehrenamtliche Forscherinnen und Forscher eine akademische Ausbildung aufweisen, ist dies keine Voraussetzung für Teilnahme an Forschungsprojekten. Wichtig ist allerdings die Einhaltung wissenschaftlicher Standards, wozu vor allem Transparenz im Hinblick auf die Methodik der Datenerhebung als auch die öffentliche Diskussion der Ergebnisse gehören.
ECSA 10 Prinzipien von Citizen Science
Die European Citizen Science Association definiert 10 Prinzipien von Citizen Science.
Glossar
Glossar zu verschiedenen Begriffen im Bereich Citizen Science
Begriff | Bedeutungsüberschneigung/Anknüpfung an Citizen Science | Quellen und Beispiele |
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Amateurwissenschaftler/in |
Amateurwissenschaft bezeichnet die wissenschaftlichen Aktivitäten von Bürgern, die nicht als WissenschaftlerInnen ihren Lebensunterhalt verdienen (siehe auch Laienforschung). Obwohl im Begriff „Amateur“ das Wort „amare“ – lieben steckt, wird dieser Begriff als abwertend im Kontrast zum Experten/in empfunden. |
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Bürgerforschung |
Bürgerforschung ist zwar die wörtliche Übersetzung von „Citizen Science“, aber im deutschen Begriff schwingt die Konnotation mit, dass selbstbestimmte Vereine und Fachgesellschaften, die eine lange Tradition in eigenen Forschungsaktivitäten aufweisen.Im Rahmen dieses Projekts werden die beiden Begriffe allerdings synonym verwendet. |
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CitizenCyberScience |
CitizenCyberscience bezieht sich auf Formen partizipativer Wissenschaft, die im Rahmen von Citizen Science durchgeführt werden. Beispiele sind das zur Verfügung stellen von Rechnerkapazität für freie wissenschaftliche Rechnernetzwerke bzw. Forschungsprojekte, wissenschaftliche online Spiele oder Webplattformen für Biodiversitätsmonitoring wie iSpot. |
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Civic Science |
Begriff, der in der US-amerikanischen Debatte aufgegriffen wurde, betont v.a. die politische Dimension von Wissenschaft. Da die Rolle des Bürgers / der Bürgerin in Citizen Science sehr diffus gefasst ist, sprechen einige AutorInnen von civic science. |
http://ipa2015.sciencesconf.org/conference/ipa2015/pages/Constructing_citizens.pdf http://www.huffingtonpost.com/harry-boyte/civic-science-renewing-th_b_5950972.html |
Co-Creation / Co-Design / Co-Production |
Diese Begriffe werden insbesondere im europäischen Kontext verwendet, um die gemeinsame Entwicklung (und Durchführung) von Forschungs- und Innovationsprojekten zwischen WissenschaftlerInnen und Mitgliedern anderer gesellschaftlicher Gruppen zu beschreiben. |
http://www.futureearth.org/blog/2014-jul-23/co-design-relevance-and-usefulness-qa-melissa-leach |
Community Science |
Der Begriff Community Science wurde v.a. in den USA geprägt und bezieht sich oft auf lokale Gemeinschaften, die beispielsweise Umweltbelastungen oder Biodiversität in ihrer Umgebung erfassen, und dazu ggf. mit institutionell angebundenen WissenschaftlerInnen zusammen arbeiten. |
http://www.riverflies.org/sites/172.16.0.99.riverflies.local/files/Messing_About.pdf |
Crowd Sourcing / Crowd Science |
Mit Crowd Sourcing wird die Einbeziehung von sehr großen Personengruppen außerhalb von forschenden Personen, Organisationen und Unternehmen meist zur Bearbeitung spezifischer, abgegrenzter Aufgaben beschrieben, die oft über die Nutzung digitaler Formate stattfindet. Crowd Sience lokalisiert die Quelle solcher Aufgaben in Forschungsprojekten, typischerweise in den Bereichen Datenerhebung und -auswertung (z.B. Musterkennung, Digitalisierung von Schriften). |
https://ojs.law.cornell.edu/index.php/joal/article/view/34 http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0048733313001212 http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1877050911005746 |
DIYBio / BioHacking |
DIY steht für „Do-it-yourself“ und umfasst auch viele Aktivitäten jenseits der Forschung. Der Begriff erlangt in letzter Zeit vor allem in Beziehung zur Maker Bewegung Aufmerksamkeit. DIYBio ist ein spezieller Zweig der Do-it-yourself Bewegung, bei der sich Privatpersonen, oft mit hochwertigen Equipment ausgerüstet, biologischen Fragestellungen widmen. |
http://www.hanser-literaturverlage.de/buch/biohacking/978-3-446-43502-5/ http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/bies.201300149/abstract |
DIY science |
DIY science wird als Überbegriff für private oder community basierte Initiativen verwendet, die sich techno-wissenschaftlichen Fragestellungen widmen. |
http://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/bitstream/JRC93942/ldna27095enn.pdf |
Ehrenamtliche Forschung |
Ehrenamtliche Forschung ist der Begriff, dervor allem für forschungsunterstützende Aktivitäten, insbesondere im Bereich der Datenerhebung verwendet wird. |
http://www.landespflege.de/aktuelles/ehrenamt/DRL-ZusammThes.pdf http://www.biologischevielfalt.de/fileadmin/NBS/documents/Dialogforen/DF_Ehrenamt/Blab_DRL.pdf |
Extreme Citizen Science |
Der Begriff Extreme Citizen Science wurde geprägt, um die aktive und selbstbestimmte Rolle von BürgerInnen über die Datenerhebung hinaus im Forschungsprozess deutlich zu machen. |
https://www.wilsoncenter.org/publication/citizen-science-and-policy-european-perspective |
FabLabs / offene Werkstätten |
FabLabs ist ein Kunstwort, zusammengesetzt aus Fabrikations-Laboren. Dahinter verbergen sich Werkstätten, wo mit konventionellen und/oder digitalen Methoden Objekte und Geräte entwickelt und produziert werden, oft in der Zusammenarbeit zwischen Institutionen und freien Gruppen. |
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Fachgesellschaften |
Fachgesellschaften sind an Fachdisziplinen ausgerichtete Vereinigungen, in denen professionelle WissenschaftlerInnen mit Personen zusammenarbeiten, die sich eine große Expertise erarbeitet haben, aber ihr Auskommen anderweitig sichern. |
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Laienforschung |
Laienforschung bezeichnet die forschenden Aktivitäten von Bürgern, die nicht als WissenschaftlerInnen ihren Lebensunterhalt verdienen (siehe auch Amateurwissenschaft). Da der Laie häufig den ExpertInnen als nicht-wissend gegenübergestellt wird, wird dieser Begriff oft als abwertend wahrgenommen. |
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Modus 2 Wissenschaft |
Modus 2 Wissenschaft wurde als Begriff in den 1980ern geprägt und diagnostiziert einen Wandel in der Organisation und Epistemologie wissenschaftlicher Wissensproduktion. Als Merkmal von Modus 2 Wissenschaft wird neben der steigenden Wichtigkeit von Anwendungskontexten auch die Teilhabe von gesellschaftlichen Gruppen außerhalb der Wissenschaft an wissensproduzierenden Prozessen betont. Dieser zeitdiagnostische Ansatz wird oft als eine Referenz für die Forderung nach transdisziplinärer Forschung gebraucht. |
https://uk.sagepub.com/en-gb/eur/the-new-production-of-knowledge/book204307 |
Open Innovation / Offene oder Partizipative Innovation |
Open Innovation meint die strategische Öffnung des Innovationsprozesses von Forschungseinrichtungen und Unternehmen für Wissen von außen und den Austausch von Wissen mit Akteuren in der Organisationsumwelt mit dem Ziel Neuerungen hervorzubringen. |
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0048733313001212 http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1877050911005746 |
Open (Digital) Science |
Stellt als Nachfolgebegriff von Science 2.0 auf die Nutzung von Internet und Social Media für Wissenschaft und Innovation ab und kennzeichnet die aktuelle wissenschaftspolitische Strategie der Europäischen Kommission. |
http://www.zbw-mediatalk.eu/2015/07/open-science-ein-kernthema-fuer-die-europaeische-kommission/ |
Partizipative Forschung |
Partizipative Forschung drückt die Beteiligung von verschiedenen Gruppen am Forschungsprozess aus und kann als Oberbegriff verstanden werden. |
http://link.springer.com/article/10.1007%2Fs11553-013-0395-0 |
Partizipative Aktionsforschung |
Die Handlungs- und Aktionsforschung wurde in Abgrenzung zur rein experimentellen Forschung entwickelt und zielt darauf ab, praxisnah ausgerichtet zu sein und Veränderungen im Sinne einer Problemlösung herbeizuführen. Partizipative Aktionsforschung schließt BürgerInnnen in diese Art von Forschnungsarbeiten ein. In den 1940er Jahren in der Sozialpsychologie entwickelt, sollte mit dem expliziten Handlungsgebot ein Gegenentwurf zu einer als auftragsfrei wahrgenommenen Wissenschaft und damit einer empfundenen Entfremdung von Theorie und Praxis entgegengewirkt werden. |
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Postnormale Wissenschaft |
Mit postnormaler Wissenschaft wird eine beteiligungsorientierte Methodologie für wissenschaftliches Vorgehen unter Unsicherheit, Entscheidungsdruck und ohne Wertekonsens vorgeschlagen. Der Ansatz setzt bei der zunehmenden Wissensbasierung politische Entscheidungen an und geht von der These aus, dass in modernen Gesellschaften die Zunahme von Risiken und Unsicherheit die Kehrseite von wissenschaftlichem und technischem Fortschritt bildet (z.B. Beck 1986). Vor diesem Hintergrund wird für eine Einbeziehung von gesellschaftlichen Gruppen plädiert. |
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1476945X07000037 http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/001632879390022L |
Reallabore |
In Reallaboren befinden sich WissenschaftlerInnen in realen Veränderungsprozessen und begleiten bspw. die Sanierung von Stadtteilen oder die Einführung neuer Mobilitäts- und Energiesystemen. Dabei werden Praktiker aus Kommunen, Sozial- und Umweltverbänden oder Unternehmen von Begin an in den Forschungsprozess einbezogen. In einem ergebnisoffenen Prozess wird neues Wissen generiert, das in der Praxis eine Wirkung erzielt.Der Begriff stammt aus der Transformationsforschung und verweist auf Orte für bzw. die institutionelle Anbindung von Realexperimenten. |
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Responsible Research and Innovation (RRI) |
Der Ansatz der verantwortungsvollen Forschung und Innovation wird derzeit vor allem in der EU Forschungsförderung propagiert und bezieht sich auf die Einbeziehung von BürgerInnen in Forschungs- und Innovationsprozesse. Bei der Umsetzung bezieht man sich sowohl auf Beteiligung im Sinne von transdisziplinärer Forschung als auch auf verstärkte Wissenschaftskommunikation. Als programmatische Achsen von RRI werden momentan die Einbeziehung der Öffentlichkeit, Open Access, Gender, Ethik und Wissenschaftsbildung verfolgt. |
http://ec.europa.eu/programmes/horizon2020/en/h2020-section/responsible-research-innovation |
Science 2.0 |
Science 2.0 ist ein Begriff um Veränderungen wissenschaftlicher Arbeit durch neue IKTs, insbesondere Internet und Social Media zu fassen. Wie seine Vorläufer Cyberscience und eScience sowie digital humanties beschreibt er neben Veränderungen im wissenschaftlichen Publikationswesen (Open Access Debatte) auch die zunehmende Interaktivität von Forschung bzw. einfacherer Ansprechbarkeit von ForscherInnen im Zeitalter des Internets. Citizen Science Projekte, besonders im Bereich CitizenCyberscience und des Crowdsourcing können als ein Phänomen von Science 2.0 gelten. |
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Scientific Citizenship |
Bezieht sich auf die Einbindung von BürgerInnen und deren lokalem Wissen in Prozesse der Herstellung wissenschaftlichen Wissens sowie der politischen Entscheidungsfindung. |
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Transdisziplinäre Wissenschaft |
Transdisziplinäre Wissenschaft beschreibt über die Einbeziehung unterschiedlicher Disziplinen in den Forschungsprozess (sog, Interdisziplinarität) hinausgehend auch die von verschiedenen Anspruchsgruppen (stakeholder), welche außerhalb des Wissenschaftssystems, z.B. in Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft lokalisiert werden. |
http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0921800912001681 |
Volunteer Thinking |
Volunteer Thinking bezieht sich auf CitizenCyberscience und ist eng verwandt mit den Begriffen distributed thinking oder collective intelligence und stellt auf die kognitive Bearbeitung von Aufgaben, meist die Datenanalyse, durch Freiwillige ab. Beispiele sind wissenschaftliche online Spiele wie FoldIt und EyeWire oder die Auswertung von Fotos in Zooniverse Projekten. |
http://www.volunteer-computing.org/EN/volunteer-thinking.html |
Quellen
- ↑ Bonn, A., Richter, A., Vohland, K., Pettibone, L., Brandt, M., Feldmann, R., Goebel, C., Grefe, C., Hecker, S., Hennen, L., Hofer, H., Kiefer, S., Klotz, S., Kluttig, T., Krause, J., Küsel, K., Liedtke, C., Mahla, A., Neumeier, V., Premke-Kraus, M., Rillig, M.C., Röller, O., Schäffler, L., Schmalzbauer, B., Schneidewind, U., Schumann, A., Settele, J., Tochtermann, K., Tockner, K., Vogel, J., Volkmann, W., von Unger, H., Walter, D., Weisskopf, M., Wirth, C., Witt, T., Wolst, D. & Ziegler, D. (2016) Grünbuch Citizen Science Strategie 2020 für Deutschland. . Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, Deutsches Zentrum für Integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig, Leipzig; Museum für Naturkunde, Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung – MfN, Berlin-Brandenburgisches Institut für Biodiversitätsforschung (BBIB), Berlin.